Vorwort
Diese Schrift ist entstanden aus dem Vortrag, den der Verfasser anläßlich der ersten Tagung unserer Familien am 6. September 1970 in Ruswil hielt. Bevor eine Veröffentlichung in Frage kam, wie sie die Teilnehmer und zahlreiche Interessenten wünschten, mußten die damaligen Ergebnisse, die sich hauptsächlich auf die Anfänge im Raum Luzern und auf das Ruswiler Geschlecht beschränkten, durch weitere Forschungen vervollständigt werden. Zunächst war der Kanton Aargau in die Untersuchungen einzubeziehen. Es ging darum, die Wohnsitze und Wanderungen der Familie im 15. und 16. Jahrhundert zu ermitteln.
Die wichtigsten Quellen, die befragt wurden, waren die zahlreichen Urbare, das sind die Verzeichnisse der Grundstücke und Erträgnisse der in den heutigen Kantonen Luzern und Aargau seit ihren Gründungen reichbegüterten ehemaligen geistlichen Grundherren: die Chorherrenstifte Beromünster und Zofingen (Staatsarchiv Aarau), das Benediktinerkloster Muri im Freiamt (Staatsarchiv Aarau und Kollegium Samen), das Zisterzienserkloster St. Urban (Staatsarchiv Luzern). Konsultiert wurden ferner das Staatsarchiv Solothurn (s. Quellenverzeichnis), die Stadtarchive Sursee, Willisau und Zofingen und zahlreiche Pfarrarchive. Die Nachforschungen in den bernischen Archiven mußten auf später verschoben werden.
Die bisherigen Ergebnisse übertreffen alle Erwartungen. Die wichtigste Feststellung: Seit 1531 übersiedelten innerhalb weniger Jahre sieben Träger unseres Namens - wie anzunehmen ist, mit ihren Familien - aus dem protestantisch gewordenen Aargau in den nördlichen Kanton Luzern. Damit fand die bis heute in den meisten Sippen des Luzerner Geschlechts lebendig gebliebene Überlieferung, ihre Stammväter seien zur Zeit der Reformation ins Luzembiet eingewandert, ihre späte urkundliche Bestätigung. An der gemeinsamen Herkunft der luzernischen Stirnimann und der aargauischen Stirnemann ist nicht zu zweifeln. Offen bleibt einstweilen die Frage, wann und unter welchen Umständen die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts im argauischen Ürkheim nachgewiesenen Namensträger aus dem Luzernischen dorthin gelangten.
V
Zu den erfreulichsten Entdeckungen der letzten Jahre zählen das im Archiv des Klosters Muri (Kollegium Samen) aufbewahrte, ausserhalb der Fachkreise kaum bekannte lateinische Tagebuch des aus dem Ruswiler Geschlecht stammenden Benediktiners Jost Stirnimann (1654-1706) - eine für die Chronik und Genealogie der Familie willkommene Quelle - sowie zwei ebenfalls in Samen aufbewahrte prächtige Glasgemälde mit dem Wappen des Ordensmannes.
Es war ,das Bestreben des Verfassers, alle größern Sippen und Stämme der Kantone Luzern und Aargau mit ihren namhaftesten Vertretern (lebende Personen werden nicht erwähnt) zu erfassen und nach Möglichkeit in den genealogischen Zusammenhang einzuordnen. Für weitere Hinweise, Ergänzungen und allfällige Berichtigungen ist der Verfasser dankbar.
Am ausführlichsten ist das Ruswiler Geschlecht, das unter allen zahlreichste und besterforschte, dargestellt. Die Sippengeschichte weitet sich hier zur Hof- und Gütergeschichte. Es sei auf die Stammtafeln am Schluß hingewiesen.
Die Chefs und das Personal der verschiedenen Archive erleichterten mir die Arbeit durch ihre zuvorkommende Hilfe und manchen wertvollen Hinweis und Rat. Bibliothekare, Fachleute, Verwandte und Namensvettern förderten meine Nachforschungen mit wertvollen Auskünften. Den willkommensten Dienst erwies uns Herr Dr. Alfred von Speyr, Hergiswil NW, indem er diese kleine Familiengeschichte in die von ihm redigierte Zeitschrift "Der Schweizer Familienforscher - Le Généalogiste Suisse" aufnahm. Die Buchdruckerei Wallimann, Beromünster, tat alles, den Sonderdruck ansprechend zu gestalten. Allen, Genannten wie Ungenannten, die zum Gelingen und Erscheinen dieser Schrift beitrugen, sei hier herzlich gedankt.
Luzern, im Dezeniber 1973 Der Verfasser
VI
Inhaltsübersicht
Vorwort . V
Inhaltsübersicht . VII
Wichtigste ungedruckte Quellen IX
Gedruckte Quellen und Literatur XII
Die Familie Stirnimann in den Kantoneti Luzern und Aargau
Im Raum Luzern 1
Gäste, Ausburger und Burger der Stadt Luzern 2
Lehenbauern des Klosters St. Leodegar 4
Im Dienste Luzerns . . . 6
In Sempach 7
Im südlichen Aargau . 8
Safenwil 11
Zofingen 11
Gränichen . 12
Aarburg 12
Zur Zeit der Rejormation ins Luzembiet eingewandert. 13
Das geflüchtete Kreuz 14
Im Wiggertal und Umgebung 15
Buchs . . 16
Uffikon 19
Kätzigen . . . . 19
Langnau . . 20
Triengen . . . 21
Witelingen . . . 21
Schütz . . . 22
VII
Nachkommen der Einwanderer 23
Reiden 24
Knutwil 25
Neuenkirch 25
Pfaffnau, Altbüron, Großdietwil, Ettiswil, Gettnau 22
Das Ruswiler Geschlecht 26
Stammtafeln 39
Karte: Wohnsitze der Familien Stirnimann im südl. Aargau und nördl. Kt. Luzern im 15. und 16. Jahrhundert
Karte: Die ältesten Höfe der Familie Stirnimann von Ruswil
Wichtigste ungedruekte Quellen
FaA Familienarchiv PrA Propsteiarchiv
KlA Klosterarchiv StA Staatsarchiv
PfA Pfarrarchiv StiA Stiftsarchiv
Plarrarchive Altishofen, Buttisholz, Ettiswil, Luthern, Neuenkirch, Nottwil, Oberkirch, Pfaffnau, Reiden, Ruswil, St. Urban, Sursee, Uffikon, Willisau, Wolhusen: Tauf-, Ehe-, Sterbe-, Jahrzeitbücher, Bruderschaftsrödel und, soweit vorhanden, Urbare.
FaA Am Rhyn, Geißenstein, Luzern
Perg.-Urkunde vom 20. 4. 1361: Heinrich Stirnimann gibt Moos dem Propst des Benediktinerklosters zu Luzern zurück.
PrA Beromünster
Nr. 95-106: Kammerbücher 1514-57.
Nr. 193: Urbar Amt Willisau 1588-1690.
Nr. 506: Kammerbuch 1535.
Nr. 716: Kammerbuch 1552.
Nr. 749: Altes Protokoll über Fall und Ehrschatz 1570-1648.
Nr. 1053: Register der Gülten und Zinsleute 1544-98.
StiA Beromünster
Bd. 45: Bereinigung etwelcher Stüftsgüetter 1536.
Bd. 192: Urbar 1683.
StA Luzern
Ratsprotokolle
Cod. 590: Verzeichnis der bodenzinse, so einem pfarrer zu Ruswil fällig sind.
1640.
Cod. 795: Zehenden Buech aller 26 zehen den eines hochfürstlichen Gottshaus
Mury 1724-1741.
Cod. 2100: Register der höff und landsässen in der statt Lucern landtschaft
angfangen anno 1583.
Cod. 2700: Urbar der bodenzinse und ehrschätzigen güter eines pfarrherrn in
Ruswil, bereinigt 23. und 24. März 1640.
Cod. 4115: Kaufsprotokoll der in den Luzerner Landvogteien getätigten Käufe
und Verkäufe während der Jahre 1596-1621.
Cod. 4135: Gerichtsprotokoll der Landvogtei Ruswil 1676-92.
Cod. 4140: Gerichtsprotokoll der Landvogtei Ruswil 1692-1715.
PA 18293/885 Erkanntnis von Schultheiß und Rat der Stadt Luzern im Rechtsstreit zwischen dem Stift Beromünster und den Erben des Peter Stirnimann zu Etzenerlen (Hertzen-Erlach) im Amt Ruswil (17.4.1670) - Abschrift der im StiA St. Leodegar, Luzern, aufbewahrten Urkunde.
KIA Muri-Gries (StA Aarau)
Nr. 6084 Verzeichnis der Gülten, die Sebastian und Hans Stirnimann dem lobl. Gotteshaus Muri an ihres Bruders Jost Auskauf übergaben (1673).
KIA Muri-Gries (Kollegium Samen)
Ms 399, Pp 40: P. Jodocus Stirnemann, Annale breve (Tagebuch des P. Jost Stirnemann OSB)
Auskaufsbrief des Fr. Jost Stirnemann (20.3.1673).
P. Leodegar Mayer (1687-1761), Wappenbuch des Klosters Muri.
PfA RuswiL
Rechnungsbuch der Pfarrei 1636-1744 (Enthält die alle zwei Jahre erfolgten Abrechnungen der Kirchmeier, Kapellen- und Btuderschaftspfleger mit vollständigem Namensverzeichnis derselben).
GemeindeA Ruswil
Teilungen der Gemeinde Ruswil: seit 1673.
KLA 5:. Urban (StA Luzern)
Urk. 603/12043: Gerichtlicher Entscheid von Schultheiß und Rat zu Willisan betr. den Heuzehnten des Peter Stirnimann zu Witelingen bei Pfaffnau (5. 12.
1548).
Nr. 4a: Weißes Urbar, sog. Weißbuch (Mitte 15. Jahrh.).
Nr. 4b: Schwarzes Urbar, sog. Schwarzbuch.
Nr.59: Urbar Luzerner Gebietes 1562.
Nr.60: Urbar Luzerner Gebietes 1593.
Nr.85: Knuwiler Urbar 1570.
Nr.106: Bursariat, Ehrschatz summarisch verzeichnet, 1443-1680.
Nr. 107a: Bursariat, Ehrschatzrodel 1650-1700.
Nr.606: Zinsrodel der Pfarrkirche Knutwil 1555.
Nr.716: Rechnungen der Schaffnerei Sursee-Knutwil 1521-77.
Nr.720: Zins-Zehnten-Rodel von Knutwil 1588.
StA Solothurn
Zinsrodel der Herrschaft Gösken und Wartenfeis 1484.
Urbar Gösgen 1528.
Urbar der Herrschaft Gösken 1536.
Urbar Gösgen 1540.
StadtA Sursee
1. Archiv der Hypothekarkanzlei Ruswil:
Käufe der Gemeinde Ruswil, von 1668 bis 1938.
Gülten der Gemeinde Ruswil, von 1677 bis 1939.
2. Gerichtsprotokoll der Landvogtei Ruswil 1715-58.
Gerichtsprotokoll der Landvogtci Ruswil 1759-c. 1880. (Die zwei ersten Bände im StA Luzern).
3. Kaufsprotokoll aus dem Amt Ruswil 1755-90.
StadtA Wiliisau (PfA Willisau)
Ratsbuch, seit 1567 (Band 1559-67 scheint verloren).
Amtsrechnungsbuch, seit 1569.
Gerichtsprotokoll der Landvogtei Willisau, seit 1590.
Handänderungsprotokoll, seit 1629.
StiA Zolin gen (StA Aarau)
Nr.1697: Zins-Urbar, c. 1531.
Nr.1739: Bodenzins- und Rechnungsrodel 1501-30.
Nr.1740: Bodenzinsbuch 1, c. 1521.
Nr.1741: Bodenzinsbuch II, 1523 und 1531 (= Grundstock), 1531-36, 1543,
1550-51, 1557.
Gedruckte Quellen und Literatur
Aarg. Urkk., 10. Teil: Die Urkunden des Stiftsarchivs Zofingen (bearbeite: von G. Boner): Aargauer Urkunden, 10. Teil. Aarau 1945.
Aarg. Urkk., 15. Teil: Die Urkunden von Stadt und Amt Aarburg (bearb. von G. Boner): Aargauer Urkunden, 15. Teil. Aarau 1965.
Bättig: Richard Bättig, Das Bürgerrecht der Stadt Luzern (1252-1798): Gfr. 77 (1922)1-96.
Boesch: Gottfried Boesch, Sempach im Mittelalter. Rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung zur Stadtgründung und Stadtverfassutg. Zürich 1948.
Egli: Gotthard Egli, Die Entwicklung der Gerichtsverfassung in Luzern. Luzern 1912.
Feller: Richard Feller, Geschichte Berus, 2. Bd.: Von der Reformation bis zum Bauernkrieg, 1516 bis 1653. Bern 1953.
Frickhardt: Joh. Jak. Frickhardt, Chronik der Stadt Zofingen, 2. Bd., Zofingen 1812.
Gfr.: Geschichtsfreund, Mitteilungen des Historischen Vereins der 5 Orte. Einsiedeln und Stans 1844 ff.
HBLex.: Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, 7 Bde. + Suppiementband. Neuenburg 1921-34.
Henggeler; Rudolf Henggeler, Das Schlachtenjahrzeit der Eidgenossen nach den innerschweizerischen Jahrzeitbüchern: Quellen zur Schweizer Geschichte, N.F., 2. Abt. 3. Bd. Basel 1940.
Kaufmann: Hans Kaufmann, Das Totenbuch des ehemaligen Franziskanerklostets Werthenstein: Ztschr. f. Schweiz. Kirchengeschichte 52 (1958) Heft 1, 5.
87-110.
Metz: Walther Metz, Die Urkunden des Stadtarchivs Zofingen. Aarau 1915. Reinle, Kunstdenkmäler: Adolf Reinle, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, Bd. 5: Das Amt Willisau mit St. Urban. Basel 1959.
Reinle, Volkskundiiches: Adolf Reinle, Volkskundliches in den Luzerner Kunstdenkmälern: Schweiz. Archiv für Volkskunde 51(1955) 93 ff.
Saladin: Guntram Saladin, Ober luzernische Familiennamen: Gfr. 84 (1929)
109-142.
Salat: Chronik der Schweizerischen Reformation von deren Anfängen bis und mit Ao. 1534, im Auftrag der katholischen Orte verfaßt von Johann Salat: Archiv für die schweizerische Reformations-Geschichte. Herausgegeben auf Veranstaltung des Schweiz. Piusvereins. 1. Bd. Solothurn 1868.
Schacher: Joseph Schacher, Zur Zeit der Reformation ins Luzernbiet eingewandert?: Gfr. 107 (1954)173-205 und 108 (1955)127-161.
Schauenberg-Ott, Schauenberg-Ott C., Die Stammregister der gegenwärtigen und in diesem Jahrhundert verstorbenen bürgerlichen Geschlechter der Stadt Zofingen
fingen seit deren Aufnahme ins Bürgerrecht, nebst einem Verzeichnis sämtlicher Geschlechter seit 1200 und Notizen über Zofingen im 19. Jahrh. Nach amtlichen Quellen bearbeitet von C. Schauenberg-Ott. Zofingen 1884. Ms. Stadtarcbiv Zofingen.
Segesser: Anton Philipp von Segesser, Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Lucern. 4 Bde. Luzern 1850-58.
Weber: P. X. Weber, Der älteste Steuerrodel Luzerns (1352): Gfr. 62 (1907)
185-252.
Wey: Franz Rudolf Wey, Die Deutschordens-Kommende Hitzkirch, deren Twinge Buttisholz, Menznau-Geiß, Oberreins,ch, Tannenfels und die dem Orden inkorporierte Pfarrstelle Altishofen. Luzern 1923.
Zimmerlin: Franz Zimmerlin, Zofingen, Stift und Stadt im Mittelalter. Zofingen 1930.
Zeichen und Abkürzungen
? | vor 1834 = getauft |
nach 1834 = geboren | |
8 | verehelicht |
+ | gestorben |
Jzb | Jahrzeitbuch |
Die Familie Stirnimann
in den Kantonen Luzern und Aargau
Mit besonderer Berücksichtigung des Stammes von Ruswil
Im Raum Luzern
Die Ursprünge der Familie, von der im folgenden die Rede ist, liegen im Raum Luzern. Die ersten Nachrichten über sie stammen aus der Mitve des 14. Jahrh. Es war dies die Zeit, wo die aufstrebende junge Stadt am Ausfluß der Reuß unter der Führung ihres weitblikkenden Schultheißen Peter von Gundoldingen ihr ganzes Streben auf das eine Ziel ausrichtete, sich von der Herrschaft des Hauses Österreich zu lösen und die volle staatliche Selbständigkeit zu erringen. Zunächst schloß sich Luzern enger an die drei Waldstätte an, mit dcnen es im Jahre 1332 den ewigen Bund beschwor. Im übrigen mußte die Stadt selber Mittel und Wege finden, um ihre politischen Pläne zu verwirklichen. Das wichtigste dieser Mittel bestand darin, daß Luzern, ähnlich wie Bern und Zürich, die Bewohner benachbarter und entfernter Gemeinwesen ins Burgrecht aufnahm und so diese Gemeinwesen an sich band. Weil diese Burger außerhalb der Mauern der Stadt wohnten, hießen sie Ausburger; das gleichzeitige Reichsrecht nennt sie Pfahlburger. Die Ausburger gehörten zur Stadt, waren Mitglieder des städtischen Gemeinwesens und genossen dessen Vorteile: sie lebten unter dem Schutz der Stadt und waren von den Zöllen befreit.
Anderseits unterstanden die Ausburger zum Teil der städtischen Gerichtsbarkeit, sie mußten bei kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Burgern ins Feld ziehen und hatten bei außerordentlichen Steuern ihren Beitrag zu leisten. Die Ausburger unterschieden sich ursprünglich von den eingesessenen Burgern einzig durch den Wohnsitz und die daraus sich ergebenden besonderen Rechte, sie durften aber jederzeit in die Stadt übersiedeln und eingesessene Burger werden.
Durch die Einbürgerung von Landsassen faßte die Stadt auf dem Lande Fuß. Die Ausburger warben für die politischen Ziele der Stadt, sie schufen die Voraussetzungen für die Bildung des späteren Stadtstaates. Die Aufnahme österreichischer Untertanen der näheren und weitern Umgebung ins Burgrecht und die dadurch bekundete Absicht, die Stadt mit ihren einträglichen Zöllen der österreichischen Herrschaft zu entreißen, führte Luzern seit 1332 in unaufhörliche Auseinandersetzungen mit seinen Landesherren, den Herzogen von Österreich, und schließlich zum Sempacherkrieg (9. Juli 1386). Die politische Bedeutung der Ausburger verlor sich erst, als die Stadt 1418 reichsfrei wurde.1
Rechtlich schlechter gestellt als die Ausburger waren die Gäste (hospites). Gast war, wer sich am Ort aufhielt, ohne ins Burgrecht einzutreten. Das Verhältnis der Gäste zu den Burgern war in Luzern durch alte Satzungn geregelt. Der Gast genoß nicht die gleichen Vorteile wie der Burger und Ausburger.2
Gäste, Ausburger und Burger der Stadt Luzern
Das Staatsarchiv Luzern verwahrt einen Steuerrodel der Stadt aus dem Jahr 1352, den ältesten, der uns erhalten blieb 3. Der Rodel verzeichnet die Namen der Burger, Ausburger, Gäste und Liegenschaften, von denen im Juni 1352 zwecks Tilgung von Kriegsunkosten 4 eine außerordentliche Vermögenssteuer (2 Pfennig pro Pfund) erhoben wurde.
Jedem Namen ist das zu bezahlende Steuerbetreffnis, in einzelnen Fällen auch der bezahlte Betrag beigefügt. Wir haben hier zugleich das älteste Verzeichnis der Burger, Ausburger und Gäste Luzerns vor uns. Unter den Gästen und Liegenschaften der Pfarrei Horw wird genannt:
Heinis Stirnimanns kind, schilling 16, dedit 9 schilling 5
Heini Stirnimann ist, vermutlich vor nicht allzulanger Zeit, vielleicht an der Pest des Jahres 1349, gestorben. Deshalb wird die Steuer von seinem Kind, wahrscheinlich einem Sohn, erhoben. Der Steuerrodel nennt eine größere Anzahl von Kindern, Söhnen und Töchtern, die an Stelle ihrer Eltern zur Steuer herangezogen werden. Heini Stirnimann zahlt zu den vier vermöglichsten der insgesamt 53 Steuerzahler von Horw. Sein Steuerbetreffnis beträgt 16 Schilling, das sind 192 Pfennige (1 Schilling = 12 Pfennig). Davon sind 9 Schilling schon bezahlt. Da 2 Pfennig pro Pfund Vermögen bezogen werden, ist Heinis Vermögen auf 96 Pfund eingeschätzt. Den Kaufwert des damaligen Geldes mögen zwei Beispiele veranschaulichen: im 14. Jahrhundert kostete eine Kuh 12 bis 20 Schilling, ein Rind etwa 12 Schilling.6
Noch einem andern Namen des Steuerrodels gilt unsere Aufmerksamkeit. Unter den Ausburgern, näherhin unter dem Titel "Das sint moslüt und ze Tribschen" wird genannt:
Ueli von Stirnrüti, schilling 12, dedit7
Moslüt waren die Leute, die das weite ebene Gelände bewohnten, das sich südöstlich des heutigen Luzerner Hauptbahnhofes ausdehnt, vom See, von Tribschen und dem Geißenstein begrenzt wird und bis in das Breitlachen genannte Gebiet reicht. Dieses heute größtenteils überbaute Gebiet war bis in die neueste Zeit allgemein bekannt unter dem Namen Moos. Wie zahlreiche Personen des Steuerrodels nach bekannten Örtlichkeiten dieser Gegend benannt sind, z. B. in Horw: Ueli von Winkel, Heini von Langensand; in Tribschen: Werne ze Geißenstein, Ueli von Schönenbül, so leitet sich auch der Nanie des Ueli von Stirnrüti von einem Flurnamen der Gemeinde Horw ab, der sich bis heute erhalten hat. Stirnrüti heißt ein waidfreies Gelände bzw ein unlängst eingegangener Bauernhof am südwestlichen Hang des Bireggwaldes über dem heutigen Blindenlieim.
Der Germanist und Namensforscher Guntram Saladin vermutete, der erstmals in Horw auftretende Famihenname Stirnimann sei aus dem Horwer Flurnamen Stirnrüti entstanden. "Die Stirne - so schreibt er - ist der obere, waldfreie Rand des Hügelhanges."8 Ueli von Stirnrüti wohnte 1352 nicht mehr in Horw wie Heini Stirnimanns Kind, sondern im benachbarten Moos oder vielleicht in Tribschen.
Im Jahre 1385 begegnen wir im ältesten Bürgerbuch 9 Luzerns einem Uelli Stirnemann. Er ist Bürge für einen Heini Seiler in Littau, der ins luzernische Burgrecht aufgenommen wird.10 Dieser Uelli Stirnemann besaß folglich bereits das Burgrecht Luzerns, d.h. er war eingesessener Burger. Ob er der gleiche ist wie der vorhin genannte Ueli von Stirnrüti, läßt sich natürlich nicht mehr ausmachen.
Lehenbauern des Klosters St. Leodegar
Horw war mit dem Moos und Tribschen einer der 16 Ding- oder Meierhöfe, die zum ältesten Besitz des elsässischen Benediktinerklosters Murbach gehörten, dem das in der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts gegründete luzernische Kloster St. Leodegar im Hof - der Vorgänger des heutigen Chorherrenstiftes - unterstand. Die Bauern, die diese murbachischen Höfe bewohnten und bebauten, waren sogenannte Gotteshausleute - ein Zustand gemilderter Unfreiheit. Sie entrichteten dem Kloster einen jährlichen Lehenzins in Naturalien.11 Im 13. Jahrhundert verwandelten sich die dem klösterlichen Grundherrn geschuldeten Dienste und persönlichen Abgaben in dingliche Lasten und wurden als Zinse eines rückzahlbaren Kapitals betrachtet. Die Gotteshausleute wurden zu vollfreien Eigentümern des Bodens, der mit dem Grund- und Bodenzins (dem ehemaligen Lehenzins) belastet blieb.12 Im übrigen konnte der Inhaber über sein Grundstück frei verfügen, es vererben, es mit Erlaubnis des Herrn verpfänden oder verkaufen. Doch mußte der Erbe, ebenso bei Verkauf der Käufer beim Kloster die Übertragung einholen (das "Lehen empfangen") und dafür eine Handänderungsgebühr, Ehrschatz genannt, bezahlen.
Es gab im Bereich der murbachischen Dinghöfe aber auch freies Eigentum freier Bauern, ,die es dem Gotteshaus übergaben und als Erblehen zurückempfingen, ohne deswegen die persönliche Freiheit ganz einzubüßen.13
Im Jahre 1291 trat der Abt von Murbach die Stadt Luzern samt den übrigen Dinghöfen an Österreich ab. In den meisten Dinghöfen gehörte nun das Erbe der Leute nicht mehr dem Gotteshaus als solchem, sondern entweder der Propstei oder einem der Klosterämter als Eigen.14 Der Propst des Benediktinerklosters im Hof verlieh fortan die Lehen und nahm sie zurück.
Durch eine glückliche Fügung ist uns eine Urkunde aus dem Jahre 1361 erhalten, der zufolge ein Heinrich Stirnimann in diesem Jahr sein Erblehen im Moos aufgab, d.h. in die Hand des Propstes des Benediktinerklosters, bzw. dessen Stellvertreters, zurückgab. Die Urkunde, die im Familienarchiv der Am Rhyn im Schlößchen Geißenstein15 aufbewahrt wird, hat folgenden Wortlaut:
Allen den, die disen brief ansehent oder hörent lesen, künd ich Andres von Mörsberg, kamrer des gotzhus zu Lucern und fürweser mins erwirdi gen herren bern Hugo von Signouwe, probstes des selben gotzbus sant Benedicten ordens, das Heinrich Stirniman für mich kam und gab uf ledklich an min hand ein gebet: landes. lit in dem Mose hinder des stadel von Gundoldin gen und hinder der matten, der man spricht der Strelarrun, in dem namen, das ich das seib gebett liche Uolrich Fönnen, burger ze Lucern, wand ouch er das vor gesch riben gebett von im recht und redlich gekouft und gentzlich vergulten hatte, als ouch sie beiden thalb vor mir offnoten und vergichtig 16 waren und das ouch ich an des vor gen. mins herren des probstes Stat Ulrich Fönnen dem ob gen. das vorgeschriben gebett lech und verlichen han ze rechtem erbe nach unsers gotzhus recht und gewonheit mit dem zinse, der unsrem gotzbus jerlich da von werden sol.
Da ze gegen by mir Stuont Ruodolf von Fruenbach, keIner unsres gotzhus, an sim und Heinrich Stanners, ammans ze Lucern, stat burger, amptlüte nach unsers gotzbus recht und gewonheit. Dis geschach ze Lucern in der stat an dem Vischmerkte, da xc gegen waren di. nachgeschribenen gezüge her Wilhelm Schultbeiß, klosterher unsers gotzhus, Claus und Peter von Gundoldin gen und ander erber lüte. Und har uber wand dies vor mir geschach und mit miner hant an des vorgen. mins herren des probstes stat als vorbescheiden ist, so han ouch ich sin ingesigel an diesen brief gehenket ze einem waren urkunde dirre sache, ,der geben wart an dem siben und zwenzigosten tag Abrellen nach Gottes geburte drüzehenhundert iar darnach in dem ein und sechzigosten jar. 17
Das Grundstück (gebett = Gebiet Landes), da's Gegenstand des Rechtsgeschäftes ist und deseen zwei Anstößer genannt werden, wird ausdrücklich als Erblehen bezeichnet.
Heinrich Stirnimann hat also das Grundstück sehr wahrscheinlich von seinem Vater wie auch dieser wiederum von seinem Vater usw. übernommen, wobei der Vater des Heinrich vielleicht derselbe ist wie der im Steuerrodel von 1352 erwähnte, ebenfalls in diesem Gebiet seßhafte Ueli von Stirnrüti. Es ist möglich, daß Heinrich und seine Vorfahren freie Bauern waren. Heinrich verkaufte sein Erblehen dem Luzerner Burger Ulrich, der vermutlich identisch ist mit dem im Steuerrodel von 1352 genannten, in der Kleinstadt wohnhaften Burger Uolrich Föno. 18 Wahrscheinlich verließ Heinrich Stirnimann die väterliche Scholle endgültig und ließ sich in der Stadt nieder. Jedenfalls ist die Familie daselbst in den Jahren 138419, und 1394 20 bezeugt. Im Jahre 1400 wohnt eine Verena Stirnimann im Obern Grund.21
Im Dienste Luzerns
Gegen Ende Juni 1422 zogen luzernische Truppen unter der Führung des Schultheißen Ulrich Walker ins Livinental, um den vom Herzog von Mailand bedrängten Urnern und Obwaldnern vor Bellinzona Hilfe zu bringen. Das mutwillige Unternehmen endete mit einer vernichtenden Niederlage. Einer der 93 Luzerner Söldner, die am 30. Juni 1422 in Arbedo den Heldentod starben und deren Namen im luzernischen Schlachtjahrzeit verewigt sind, war Heini Stirnimann. 22 Dieser war also sicher luzernischer Ausburger, wenn nicht Burger und daher wehrpflichtig.
Seit 1408 ist die Familie in Sempach nachweisbar und zwar in Verbindung mit der Seevogtei. Im Jahre 1434 sagte Jenni (=Hans) Stirnimann, der vermutlich den Beruf eines Fischers ausübte, vor Gericht zweimal aus, er habe vor 50 Jahren beim Winkel gefischt. 1 Es handelt sich hier um die unter dem Namen Winkel bekannte Bucht des Vierwaldstättersees südlich von Horw. Die Sempacher Stirnimann des 15. Jahrhunderts stammten also mit Sicherheit aus Horw, wo schon 1352 Heini Stirnimann und sein Kind als erste Namensträger nachgewiesen sind.
In den Jahren 1441 und 1447 bekleidet Henzmann (= Heinrich) Stirnirnann in Sempach das Amt des Schultheißen. 2 Er könnte, was schon der gleiche Name nahelegt, ein Nachkomme jenes 1352 in Horw nachgewiesenen Heini Stirnimann gewesen sein. Der Schultheiß, der hauptsächlich Verwaltungsmann und Richter war, hatte in Sempach seit der Aufnahme der Stadt ins luzernische Burgrecht (1386) an Bedeutung stark verloren. Luzern gestand Sempach das Recht zu, für die Wahl des Schultheißen vier taugliche Männer vorzuschlagen, aus denen dann Luzern wählte "der uns gevalt und gut bedunkt". 3 Schultheiß Heinrich Stirnimann verurkundete am 29. Januar 1441 die Stiftung eines jährlichen Maßes Oel oder soviel Geldes eines Sempacher Ehepaares an die Kapelle Unserer lieben Frau in Nottwil. Erwähnenswert ist dabei die Bemerkung des Schultheißen, er habe kein eigenes Siegel und habe daher Kuonz von Egersvil um dessen Siegel (es zeigt eine Pfiugschar im Schild) genichtenden. Die Urkunde wird im Archiv der Pfarrkirche Nottwil aufbewahrt. 4
Im südlichen Aargau
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts verschwindet der Familienname Stirnimann im Kanton Luzern. Seit der gleichen Zeit begegnet er uns, zuerst vereinzelt, dann immer häufiger im südwestlichen, an den Kanton Luzern grenzenden Gebiet des damals bernischen Aargaus. Das früheste Dokunient dieser Gegend und wohl außerhalb des Kantons Luzern überhaupt, das unsern Namen erwähnt, ist eine Urkunde des Chorherrenstiftes St. Mauritius in Zofingen vom 25. Februar 1457 1; sie betrifft die Pfarrkirche des nordöstlich von Zofingen gelegenen Pfarrdorfes Ürkheim, auch Ürken genannt. Unter dem genannten Datum tätigt Werna Stirneman, za disen ziten kuchenpjleger der kuchen ze Uirtken im Namen dieses Gotteshauses einen Kauf von 16 rheinischen Gulden. Da Werna (= Werner) Kirchenpfleger - nach luzernischem Sprachgebrauch Kirehmeier - war, muß seine Familie schon einige Zeit in Urkheim seßhaft gewesen sein. Es war nie üblich, am wenigsten in kleinen Gemeinwesen, neu Zugezogene mit öffentlichen Amtern zu betrauen. Vermutlich hatte sich Werners Vater oder Großvater in Ürkheim niedergelassen. Dies könnte im Zusammenhang mit der Eroberung des Aargaus (1415) geschehen sein, wo Luzern sein Hoheitsgebiet bis zur heutigen Nordgrenze ausdehnte. Es sei daran erinnert, daß die Ausburger und erst recht die Burger einer Stadt wehrpflichtig waren. Wie Heini Stirnimann im Jahre 1422 unter den Luzerner Söldnern war, die Schultheiß Ulrich Walker vor Bellinzona und in der Schlacht bei Arbedo anführte, so kann ein Angehöriger der Familie im April 1415 den Feldzug in den österreichischen Aargau mitgemacht haben, zu dem König Sigismund die Nachbarn des geächteten österreichischen Herzogs Friedrich IV. aufgefordert hatte; es ist denkbar, daß er einer luzernischen Grenzgarnison zugeteilt wurde, vielleicht in Wikon, wo die Luzerner eine der drei Burgen eroberten und in dessen Nachbarschaft Ürkheim liegt.
Übersehen wir nicht, daß die neue Nordgrenze des luzernischen Stadtstaates eine künstliche Grenze war, sie trennte wohl Land und Volk des Wiggertales und der anstoßenden Gebiete, die von jeher eine geographische bzw. ethnische Einheit bildeten, in eine südliche und nördliche Hälfte, sie konnte aber unmöglich die seit Jahrhunderten eingewurzelten familiären, rechtlichen und wirtschaftlichen Bindungen, Beziehungen und Einrichtungen aus der Welt schaffen. So blieb z.B. die zweifellos auf die alamannische Einwanderung zurückreichende Gemeinweidigkeit zwlschen Zofingen, Bottenwil, Ürkheim einerseits und dem luzernisch gewordenen Wikon anderseits weiterhin hestehen, sie wurde erst in den Jahren 1788-1790 aufgehoben. 2
Schließlich sei daran erinnert, daß der Gotthardweg von Luzern nordwärts durch Sempach, Sursee und Zofingen führte, was einen regen Kontakt zwischen diesen Städten und ihrem Hinterland zur Folge hatte.
Es darf als sicher gelten, daß die Stirnimann in Ürkheim und andern Aargauer Gemeinden, von denen noch die Rede ist, ursprünglich aus dem Luzernischen stammten, denn der Name ist vor der Mitte des 15. Jahrhunderts in der ganzen heutigen deutschsprachigen Schweiz einzig im Luzernischen nachgewiesen. Auch entstanden in unserer Gegend nach 1400 nur noch ausnahmsweise neue Familiennamen..
Die Nachkommen des Kirchenpflegers Werner Stirnimann lassen sich in Ürkheim verfolgen bis ungefähr 1530 und zwar anhand eines Zinsrodels und dreier Urbare der Herrschaften Gösgen und Wartenfels, denen vier Höfe in Ürkheim abgabepflichtig waren.
Der Zinsrodel von 1481 3 nennt als Besitzer des ersten Hofes Hanns Stirnenman, des zweiten Werli Stirnenman. Der erste schuldet ab seiner Hofstatt jährlich 14 Viertel Dinkel (auch SpeIt genannt, eine Weizenart), 14 Viertel Hafer, 1 Pfund Geld, 1 Malter Hafer, 1 Mütt Hafer, 1 Mütt Dinkel; der zweite schuldet jährlich: 1 Malter Dinkel und 14 Schilling.
Hans und Werli (= Verkleinerungsform von Werner) dürften Brüder und als solche Söhne des Kirchenpflegers Werner sein; wahrscheinlich hatten sie den väterlichen Hof geteilt. Leider fehlt uns die für diese Zeit wichtigste Quelle, die uns über die Genealogie der Familie nähern Aufschluß geben könnte: das Jahrzeitbuch von Urkheim; es ist wie die der meisten heute reformierten aargauischen Pfarreien zur Zeit der Reformation vernichtet worden oder verloren gegangen.
Der Zinsrodel gibt die Namen der beiden Höfe und deren einzelnen Matten und Acker nicht an, diese erfahren wir erst aus den Urbaren von 1528 4 und 1536 5: zum ersten Hof gehören unter andern, nicht benannten Grundstücken:
das Teaffenthal der Hofacker
die Buchmatt der Banacker
die Rolirmatt der Fluoacker
der Bilgersacker
the Teaffenthal the farm field
the book ground the Banacker
the Rolirmatt the Fluoacker of
the Bilgersacker
Zum zweiten Hof, Wilhelmshof genannt, gehören:
To the second farm mentioned, belong to
Wilhelmshof:
die Mockenmatt die Grabmatten
eine Matte, Geßlerin genannt
ein Acker by Weinlis Brünnen (vermutlich nach Wernli Stirnemann benannt)
ein Acker im Stampfental der Hofacker
der Blöwacker der Langacker
der Moosacker das Grünächerli
the Mockenmatt the grave mats
a mat, Gesslerin called
a field by Weinlis Bruennen (supposed designated after Wernli Stirnemann)
a field in the valleyvalley valley the farm field of
the Bloewacker the long field
the MOO field the Gruenaecherli
In den Urbaren von 1528, 1536 und 1540 findet sich der Name Stirnimann nicht mehr.6 Doch wird im Urbar von 1540 beim ersten Hof am Rand vermerkt, diesen habe Stirneman gehabt: Hans (darüber: Ulrich) Lienhart, sonst genannt Kleinbuob, gitt jährlichen von sinem Gwerb, so Stirneman ghept. 7a
Auch im nördlich von Urkheim gelegenen Safenwil waren vor der Reformation Stirnimann ansässig, die dem Stift Zofingen abgabepflichtige Güter bebauten; sie verließen Safenwil um 1531 herum. 7b
Sehr wahrscheinlich übersiedelten eine oder mehrere Familien Stirnimann von Ürkheim und Safenwil zur Zeit der Einführung der Reformation ins luzernische Wiggertal. Darüber im nächsten Abschnitt. Zuvor seien noch die frühesten urkundlich feststellbaren Namensträger der übrigen aargauischen Gemeinden aufgezählt.
In Zofingen bürgerten sich die Stirnimann im ausgehenden 15. Jahrhundert ein; 8 ob sie von Ürkheim oder direkt aus dem Luzernischeu kamen, ist ungewiß.
Das älteste Schützenzunftbuch der Stadt von 1528, die Neufassung einer früheren Vorlage und bis 1608 fortgeführt, 9 erwähnt in seinem Mitgliederverzeichnis, in das auch die Müller und Pfister aufgenommen sind, nach 1484:
Hanns Stirnenman, müller
f. 8v: Henntz (= Heinz) Stirnenman
Hanns Stirnenman, Mueller
Der letzte ist in einer Urkunde vom 23. Dezember 1513 als der ober Müller und als Burger von Zofingen bezeugt 10 und gehörte dem Rate an; er ertrank 1519 auf einer Wallfahrt nach dem, besonders in Pestzeiten, vielbesuchten Muttergottesheiligtum Schöntal in Baselland. 11
Das Schützenzunftbuch nennt ferner aus der Zeit vor der Einführung der Reformation:
f. 9v: Hans Stirneman 1520 Rudolf
Stirnenman
Kurz nach diesen Namen folgt in der Mitgliederliste der erste von Bern berufene neugläubige Prediger und eigentliche Reformator Zofingens: Toctor Sebastian Hofmeister, diser zytt predicant, der im Mai 1528 nach Zofingen kam und daselbst am 26. Juni 1533 starb. 12 Der Steuerrodel von 1534 13 erwähnt:
Hanns Stirnenman, träyer (= Dreher): 8 Schilling.
Hanns Stirnenman, müller: 20 Plappart.
Hanns Stirnenman, more traeyer (= turner): 8 Schilling.
Hanns Stirnenman, Mueller: 20 Plappart.
Am 30. Oktober 1533 erneuerte Friedli Stirnemann das Bürgerrecht; 14 es dürfte sich um den in einer Urkunde vom 2. Juni 1566 erwähnten Fridolin Stirneman handeln.15 Der Taufrodel 16 von Zofingen verzeichnet in den Jahren 1575 bis 1601 zehn Kinder des Ehepaares Fridlin Stirnemann 00 Elisabeth Rubi.
Sein Baumgarten liegt an der Landstraße nach Brittnau.
Nach den Zofinger Stammregistern wäre das Geschlecht im 16. Jahrhundert in Zofingen erloschen. 18 Es ist aber auch möglich, daß es von Zofingen fortgezogen ist.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist das Geschlecht urkundlich bezeugt in den Gemeinden Zetzwil und Gränichen:
Zetzwil: ? ? 1523 Stirnenman, der muiller von Zettzwil. 19
Gränichen: 16. Januar 1540 Hanns Stirnenman, derzyt undervogt zuo Grencken. 20
Aus dem Geschlecht der Stirnemann von Gränichen - heute das zahlreichste der Gemeinde - stammte Erwin Stirnemann (1885-1970), Ingenieur, Stadtrat von Zürich und Vorstand des Bauamtes I 1935-46, 1. Vizepräsident des Stadtrates seit 1942, Nationalrat 1943-46, Gründer der "Pro Sihltal". 20a
Seit 1589 bis Mitte des 17. Jahrhunderts sind die Stirnimann Lehenmüller in Aarburg. 21
Zur Zeit der Reformation
ins Luzernbiet eingewandert
Nach jahrelangem Schwanken und spürbarer Unsicherheit, die in mehreren Glaubensmandaten zum Ausdruck kam, veranstaltete der bernische Große Rat vom 6. bis 26. Januar 1528 in der Barfüßerkirche das bekannte Glaubensgespräch, das der Reformation in den bernischen Landen, also auch im Aargau, zum Siege verhalf. Der Protestant Richard Feller, einer der bedeutendsten bernischen Geschichtsforscher der letzten Zeit, schildert ohne Beschönigung die Willkür und Einseitigkeit, mit der die Obrigkeit das Glaubensgespräch dirigierte und in der Folge die Reformation in Stadt und Land durchsetzte. 1 Feller spricht, besonders was die Beanspruchung der kirchlichen Gewalt durch den Staat betrifft, von einer "Eigenmächtigkeit, die mit der Einheit der christlichen Welt brach". 2 Als schmerzlichster Verlust wurde im allgemeinen, auch auf der bernischen Landschaft, nebst der rücksichtslosen Zerstörung der Bilder und Kirchenzierden, die Abschaffung der Messe empfunden. Die Obrigkeit ließ daher die Untertanen über ihre wahren Absichten hinsichtlich der Messe anfänglich im Ungewissen, wie ihr Vorgehen überhaupt von berechnender Taktik war. Je nachdem es die Umstände empfahlen, übte sie vorerst Nachsicht und Zurückhaltung oder sie schlug Widerstände schonungslos nieder, wenn nötig mit den Waffen wie im Berner Oberland. 3a Bezeichnend war das Vorgehen Bems gegen Zofingen. In einem Schreiben vom 20. Juli 1528 an Schultheiß, Rät und gmein Burger zu Zofingen verlangte der bernische Rat die Bestrafung derjenigen, die sich gegen die neue Lehre noch abweisend und widerspenstig verhielten, und fügte bei: "Wo aber jemands sich sperren und die Straf nit tragen wöllt, den wellen wir üch helfen temmen." 3b
Nur im Wissen um das, was sich damals in Wirklichkeit abspielte, vermögen wir Heutigen die seelisehe Bedrangnts jener vielen in etwa zu ermessen, die, wollten sie ihrer Kirche und Überzeugung treu bleiben, sich zum Letzten und Schwersten entschlossen: ihre angestammte Heimat zu verlassen und in katholisches Gebiet zu übersiedeln. Schon bald nach 1528 wanderten Altgläubige aus den reformiert gewordenen Gebieten aus 4, weil sie offenbar einsahen, daß jeder Widerstand fruchtlos, für sie mit nachteiligen Folgen verbunden und eine Anderung nicht mehr zu erhoffen war. Größeres Ausmaß nahmen die Auswanderungen nach der Schlacht bei Kappel an, bzw. nach dem zweiten Kappeler Landfrieden. Durch die Niederlage der Zürcher bei Kappel (11.10.1531), wo Zwingli fiel, kam die Ausbreitung der Reformation in der Eidgenossenschaft zum Stillstand. Der im November 1531 abgeschlossene zweite Kappeler Landfriede gestattete den einzelnen Kantonen, bei ihrem Glauben zu bleiben. Wer das im betreffenden Kanton geltende und allein zugelassene Bekenntnis ablehnte, mußte auswandern. Joseph Schacher hat eine wider Erwarten große, urkundlich gesicherte Zahl von Emzelpersonen und ganzen Familien nachgewiesen, die zur Zeit der Reformation aus dem heutigen Aargau ins Luzernische einwanderten.5 Zu diesen sind - von Schacher nicht erwälint - auch die Stirnimann zu zählen, die sich in jenen Jahren im nördlichen Gebiet des Kantons Luzern niederiießen.
Daß geflüchtete Kreuz
Im März 1528 wurden in Zofingen die Bilder der Stiftskirche St. Mauritius öffentlich verbrannt. Die Chronisten des Städtchens berichten, wie ein Altgläubiger namens Stirnimann ein Bild vor der Zerstörung rettete. Dekan Joh. Jak. Frickhardt schreibt:
In der Kirche kam es dahin, daß das gemeine Volk drei der größten Bilder herunternß und dieselben im Stiltbof zu Asche verbrannte. Die übrigen Bilder und Ornamente trug man vor das Schützenthürlein hinaus hinter den Stifthof, wo ein gleiches mit ihnen geschah.
In the church it came there that the
common people three of the largest fig. down NSS and the same
burned in the Stiltbof to ash. One carried the remaining pictures
and ornamentations before the Schuetzenthuerlein outside behind
the pin farm, where a same with them occurred.
Eines von diesen Bildern soll durch einen hiesigen Bürger, Stirnemann, noch unbeschädigt vom Brande errettet und nach Reiden getragen worden seyn, wo derselbe darauf Bürger ward.6
One of these pictures is by a local citizen, Stirnemann, still intact of the fire errettet and after Reiden carried seyn, where the same on it citizens ward. 6
Es handelt sich hier olme Zweifel um dieselbe Begebenheit, die der Luzerner Hans Salat in seiner bekannten Reformationschronik wae folgt festhielt:
Item als man zu Zofin gen die bilder stürmpt und verbrant, nam ein guoter eerenman ein hüpsch seer groß crutzifix uff sich und sin guot schwert an dhand, truog das angsicht der stürmer aller ou gen von inen hinweg zum tor us gen Reyden ulf den berg in sant bannis kilchen. 7
Item as one to Zofin towards the pictures stuermpt and verbrant, nam more guoter eerenman huepsch more seer largely crutzifix uff and sin guot sword dhand, truog angsicht itself on the stuermer of all ou towards of inen away to the gate US towards Reyden ulf the mountain in sant bannis kilchen. 7
Die beiden Berichte ergänzen sich. Frickhardt weiß nur von einem Bild, das näch Reiden kam, Salat präzisiert, es sei ein Kruzifix gewesen, das nach Reiden in die Kirche der Johanniter-Kommende auf dem Berg der damaligen Haupt- und Pfarrkirche Reidens, gebracht wurde; den Namen desjenigen, der das Kreuz rettete, weiß Salat entweder nicht oder er ist für ihn nebensächlich, ihn intereassert nur das Faktum; es ist aber verständlich, daß der Name des Mannes, dessen mutige Tat sich herunzsprach, in Zofingen nicht so bald vergessen wurde. 8
Das erwähnte Kreuz befindet sich heute sehr wahrscheinlich in der Schloßkapelle Wikon. Der eindrucksvolle spätgotische, 115 cm hohe, an einem barocken Kreuz befestigte Korpus sei - so wird auf einer Inschriftkarrusche berichtet - zur Reformationszeit "an einem Ort" vergeblich ins Feuer geworfen und später, zur Zeit des Landvogts Jost Rüttimann (1699-1705) nach Wikon gebracht worden. 9
Das Geschlecht der Stirnimann ist in Reiden seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bezeugt. Es geht vermutlich auf einen der Einwanderer zurück, von denen im folgenden die Rede ist.
Im Wiggertal und Umgebung
Innerhalb des kurzen Zeitraums von etwa vier Jahren ließen sich sechs Träger des Namens Stirnimann - wie anzunehmen ist, mit ihren Familien - an sechs verschiedenen Orten des nördlichen Kantons Luzern, vor allem im Wiggertal nieder, ein siebenter folgte etwa drei Jahre später. Von jedem der sieben kennen wir aufgrund zeitgenössischer Quellen den vollen Namen, von sechsen von ihnen das genaue oder ungefähre Datum ihrer Niederlassung in der neuen Heimat. Es fällt auf, daß alle sieben Auswanderer-Famihen sich innerhalb eines engbegrenzten Raumes niederließen. Es handelte sich also wohl um die Angehörigen einer unter sich eng verbundenen Sippe, die ihre Auswanderung gemeinsam plante und durchführte. Alle ließen sich - mit Ausnahme des letzten Einwanderers - in Gemeinden oder auf Höfen nieder, die dem in dieser Gegend seit alters reichbegüterten und mächtigen Chorherrenstift St. Michael in Beromünster (Langnau, Triengen, Kätzigen) 10 und dem Zisterzienserkloster St. Urban (Buchs, Uffikon, Witelingen) gehörten, bzw. abgabepflichtig waren. Die Stifte und Klöster der katholischen Orte waren Bollwerke in der Abwehr der neuen Lehre, von ihnen durften Glaubensflüchtlinge zuallererst Verständnis und Hilfe erwarten. Die Urbare, 11 die Fall- 12 und Ehrschatzverzeichnisse von Beromünster und St. Urban, aber auch das Archiv des 1528 von Bern aufgehobenen Stiftes Zofingen sind, nebst den Jahrzeitbüchern der Pfarreien, die Hauptquellen, die uns über die ersten Einwanderer, ihre Nachkommen, deren Besitz und Schicksale Auskunft geben. Wenden wir uns nun den ersten Einwanderern und ihren Nachkommen in den betreffenden Ortschaften zu.
Buchs
Der früheste Einwanderer begegnet uns in Buchs, das bis 1809 zu Altishofen, der ausgedehntesten Pfarrei des Wiggertals, gehörte. Die Pfarrei war Eigentum der Deutschordens-Kommende Hitzkirch, die den Pfarrer - einen Deutschordens-Priester - und die Verwalter der Ordensniederlassung stellte. Auch die Stifte Beromünster und Zofingen besaßen in Buchs Güter. Der um 1530 herum angelegte Bodenzins- und Rechnungsrodel des Stiftes Zofingen, dessen Einkünfte - wie bei andern aufgehobenen Klöstern und Stiften - zur großen Enttäuschung der Bauern fortan Bern einforderte, nennt unter Buchs als zweiten Lehenbauern:
f. 90 r: Stirneman sol 2 malter korn und 15 schilling von 1 hof ze Duchs 13
f. 90 r: Stirneman sol 2 malter grains
and 15 Schilling of 1 farm Duchs 13
Den mutmaßlichen Vornamen dieses Lehenhauern hat das Jahrzeitbuch Altishofen festgehalten: Vester d.h. Silvester. Nach einer Notiz im Jahrzeitbuch hat Vester Stirnimann im Jahre 1536 die auf dem Acker Hardere Rüti ob dem Zügholz bei Buchs haftende Bodenrente einer Jahrzeitstiftung abgelöst. Ohne Zweifel vom selben Vester Stirnimann berichtet das Jahrzeitbuch unter dem 16. Oktober, er habe die auf die Hochfuren, einem Gut in Buchs, gesetzte Bodenrente einer Jahrzeitstiftung abgelöst und für die große Glocke verwendet; im betreffenden Jahrzeit wird der Kirchmeier ausdrücklich ermächtigt, den fraglichen Acker, auf dem das Pfand haftete, ze setzen und ze entsetzen. Dieser Vester Stirnimann war folglich Kirchmeier d.h. Verwalter des Kirchengutes. Diese Feststellung fügt sich gut in die damalige Situation in Altishofen.Um 1535 herum griff die luzernische Obrigkeit in Altishofen - wie auch in Hitzkirch - ein, der neugläubig gesinnte Pfarrer Hans Hüßler wurde abgesetzt und der aus Luzern stammende Damian Egli berufen. Bis 1542 verwaltete Luzern die Pfarrei und die Niederlassung des Deutschordens in Altishofen - wie in Hitzkirch - durch eigene Schaffner und Amtsleute. Ein Glaubensflüchtling mochte in diesen Jahren der Verwirrung und des Mißtrauens für den Posten des Kirchmeiers die Gewähr bedingungsloser Trene und Zuverlässigkeit bieten.
Silvester Stirnimann wird auch im Zins-Rodel von 1555 der Pfarrkirche Knutwil genannt. 18 Aufgrund dieses Dokumentes sowie der Urbare von St. Urban 19, kennen wir den umfangreichen Grundbesitz des Silvester, zu dem auch die Mühle in Buchs gehörte, und die Namen seiner vier Söhne, die sein Erbe teilten: Lorenz, Lenz (oo Anna Mangolt), Hans (oo Anna Thuner) und Bartholomäus oder Bartil (oo Elisabeth Gut) 20; letzter ist 1559 Ammann zu Altishofen, 21 als solcher hatte er die der Deutschordens-Kommende Hitzkirch zustehenden Gefälle einzuziehen.
Vermutlich kamen die Stirnimann in Buchs und Uffikon aus Ürkheim. Dorthin weist nämlich der Vorname Silvester, der bei den Stirnimann des Wiggertales bis gegen 1700 beliebt war, während er vorher in dieser Gegend kanm vorkam. Der hl. Papst Silvester (314-355) war Patron der Pfarrkirche zu Ürkheim 22 - übrigens die einzige Pfarrkirche mit diesem Patrozinium in der ganzen Zentralschweiz, 23 was wiederum die Seltenheit dieses Taufnamens erklärt. Es war schon von jeher und ist bis heute in katholischen Gegenden bekebter Brauch, eines der Kinder nach dem Patron bzw. der Patronin der Ortskirche zu benennen. 24
Im Verlaufe des 17. Jahrhunderts verließen die Stirnimann Buchs. 1687 erwarb einer von ihnen die Mühle zu Burgrain bei Alberswil. 26
Uffikon
Seit 1531 bis 1544 ist in dem nahe bei Buchs gelegenen Uffikon, der Nachbarpfarrei Mtishofens, Stephan Stirnimann als Lehenbauer der Stifte Zofingen und St. Urban bezeugt. 26 Er dürfte ein Bruder des Silvester zu Buchs sein. Den Zofinger Urbaren 27 ist zu entnehmen, daß Stephan um 1530/31 in Uffikon den Hof des Hans Vogt gekauft hat, nach einem weitern Urbar 28 erwarb er auch in Buchs Grundbesitz; beide Grundstücke lagen offenbar nahe beieinander im Grenzgebiet der Gemeinden Uffikon und Buchs. Ein Sohn Stephans war vielleicht Jon (oo Anna Suter), der seit 1562 nachwcisbar ist und am 13. Januar 1565 starb. 29 Laut Jahrzeitbuch von Uffikon war sein Sohn Jakob (oo Ottilia Gut) Untervogt. 30 a Des letzteren Sohn Gabriel (*4.4.1608) zog nach Knutwil und wurde der Stammvater des dortigen Geschlechts. Silvester Stirnimann war 1662 Richter in Uffikon.30b
Kätzigen
Zum ältesten Besitz der Chorherrenstifte Beromünster und Zofingen gehörte der Hof Kätzigen (Kätzingen) auf einem von Wäldern uinschlossenen Hang südwestlich des Dorfes Buchs. Die heutigen zwei Weiler Ober- und Unterkätzigen gehören zur Gemeinde Dagmersellen.. Der Anteil des Stiftes Zofingen wurde 1570 von Bern an St. Urban abgetreten, im Abtausch gegen im Kanton Bern gelegene Güter St. Urbans. Im Zins-Urbar von c. 1531 des Stiftes Zofingen 31 wird Jakob Stirnemann als früherer Besitzer erwähnt, er könnte also der erste der Familie sein, der einwanderte.
Besitzer der nach Beromünster abgabepflichtigen Güter waren:
Owners of the goods abgahepflichtigen after
Beromuenster were:
1572-90 Heini Trochsler in the name of Melchior Stirnimann 33
1590-95 Bartlin Stirnimann in the name of his constable daughter Anna Stirnimann (probably daughter of Andres) 34
1595-1603 Wolfgang Hunkeler 35
1542-72 Andres Stirnimann (on Maria Kleeb),
the 1572 in Uffikon the farm of the Uh Fischer buys 3! 1572-90
Heini Trochsler in the name of Melchior Stirni man 33 1590-95
Bartlin Stirnimann in the name of his Vogttochter Anna Stirnimann
(probably daughter of Andres) 34 1595-1603 Wolfgang Hunkeler 35
Langnau
In Langnau, das mit Richenthal und Melsecken zum größten, bis an die Kantonsgrenze reichenden Besitz Beromünsters im Wiggertal gehörte, ist die Familie seit 1532 nachweisbar. Das Kammerbuch, das ist das Einkünfte-Verzeichnis des Stiftes, nennt 1532 als ersten Lehenbauer zu Langnau einen Häflinger, darunter schrieb die gleiche Hand: gytt jetz Stirnimann. 36 Den Vornamen überliefert das Protokoll der Zehntenbereinigung von 1536: Klaus 37; im Kammerbuch von 1542/43 heißt er Kläwy Stirniman. 38 Er besitzt ein Säßhaus mit Baumgarten und Speicher, 5-1/2 Mannwerk Wiesland und rund 16 Jucharten Ackerland, die sich entsprechend der mittelalterlichen Dreifelderwirtschaft auf drei Zelgen verteilen. 39 Auf Klaus folgt 1557 Jakob, 40 ohne Zweifel sein Sohn. 1570 verkaufen des Klaus Stirnimanns Erben ihren Hof dem Heini Widmer. 41 Um 1571 erwirbt ein Klaus Stirnimann (ooAgatha Schmid), vermutlich ein Sohn des Jakob und Enkel des Klaus, ein Gut im benachbarten Melsecken, wo die Schmid, auch Welnauer genannt, begütert waren. 42
Triengen
In den Jahren 1534 bis 1538 verzeichnen die Kammerbücher der Propstei Beromünster in Triengen einen Heiny Stirnimann 43 Er ist der zweite der dortigen drei Lehenbauern und hat seinen Hof von Daniel Kesler übernommen, der im Kammerbuch von 1532 noch an seiner Stelle angeführt ist. 44 Da zwischen 1532 und 1534 kein Kammerbuch existiert, besteht die Möglichkeit, das Heiny Stirnimann schon, in dieser Zwischenzeit nach Triengen kam. Im Kammerbuch von 1542, dem nächsten nach 1538, findet sich der Name Stirnimann nicht mehr.
Witelingen
Der 3 km südlich des Dorfes Pfaffnau gelegene Hof Witelingen (Witteldingen), ein Lehenhof des Klosters St. Urban und bis ins 16. Jahrhundert auch dem Niedern Spital in Burgdorf zinspflichtig, umfaßte 30 Mannwerk Wiesland und 150 Jucharten Acker und Weiden. Der Hof grenzte an Roggliswil und an die Höfe Hertmelingen, Eppenwil, Renzligen und Linegg. 45 Das Weiße Urbar (Mitte 15. Jahrh.) verzeichnet die Reihenfolge der Lehenbauern:
Hentz von Badachtal Peter Stirnenman
Mathis Knüsel Uoli Bluom (+ nach 1562)
Aus einem gerichtlichen Entscheid von Schultheiß und Rat zu Willisau vom 5. Dezember 1548 erfahren wir, daß Peter Stirnimann den Hof Witelingen am Dienstag vor dem St. Nikolaus-Tag 1534 erworben hat. Gegenstand der Klage war der Heuzehnten, den St. Urban beanspruchte. Der Lehenbauer legte vor Gericht dar, wie der Hof Witelingen an ihn gekommen sei und daß er bisher so gezinst habe, wie ihm sein Verkäufer angezeigt hatte, er hoffe, weiter so zu zinsen und nicht länger bemüßigt zu werden. Unter den Schriftstücken, die er den Richtern vorlegte, befand sich der oben erwähnte Fertigungsbrief vom Jahre 1534.46
Peter Stirnimann war der einzige Lehenbauer seines Geschlechts in Witelingen. Sein Käufer war Uoli Bluom, dem zwischen 1662 und 1593 Hans Bluom, ohne Zweifel sein Sohn, nachfolgte. Als fast sicher kann gelten, daß Peter Stirnimann zwei Söhne namens Heinrich und Ulrich hatte. Heinrich (oo Kunigunde Sinner, wohl aus dem alteingesessenen Geschlecht von Pfaffnau) zog nach Luthern, Ulrich ist als der Stammvater der Linle von Eppenwil anzusehen; zwei seiner Söhne hießen Klaus, Bauer zu Eppenwil, und Andres, vermutlich Müller zu Melsecken. 47
Schötz
Der letzte Einwanderer, Sebastian, ließ sich in Schötz nieder. Nach dem Jahrzeitbuch von Altishofen besaß er dort seit dem Jahre 1537 zwei Grundstücke, auf denen die Bodenrenten zweier Jahrzeitstiftungen hafteten: Das Banholz und den ufgend Acker. 48 Zu beiden Jahrzeiten wird am Rand vermerkt, daß Bastian Stirnimann das Gut zu Schötz im [15] 37. Jahr habe. Die beiden Grundstücke lassen sich nicht mehr feststellen, sicher ist nur, daß sie in der nördlichen Hälfte der heutigen Pfarrei Schötz zu suchen sind, die bis 1867 zur Pfarrei Altishofen gehörte.
Nachkommen der Einwanderer
Die meisten der vor 1800 im Kanton Luzern beheimateten Familien Stirnimann dürften von den hier nachgewiesenen Einwanderern der Reformationszeit abstammen. Von den ersten Stammsitzen verzweigten sich die Familien im 16. und 17. Jahrhundert hauptsächlich in folgende Gemeinden: Reiden, Knutwil, Pfaffnau, Altbüron, Großdietwil, Ettiswil, Neuenkirch, Ruswil. Von den Geschlechtern dieser Gemeinden, von denen die meisten bis heute fortbestehen, sind nur jene von Knutwil und Ruswil näher erforscht.
Reiden
In Reiden ist das Geschlecht seit 1558 bezeugt. Peter Stirnimann, wohnhaft im 2 km nördlich vom Dorf gelegenen Wikon , ist 1558-86 Untervogt der Vogtei oder des Amtes Wikon, 49 1569 ist er auch als Amtssechser bezeugt. 50 Stellung und Befugnis des Untervogts eines Amtes waren dieselben wie beim Amtsweibel. Uber Stellung und Befugnisse dieser Amter ist im letzten Abschnitt die Rede. Peter Stirnimann errichtete an der untern, d.h. heutigen Pfarrkirche in Reiden, wohin Wikon bis vor kurzem pfarrgenössig war, auf den 4. November ein ewiges Jahrzeit für sich, seine drei Ehefrauen Anna Murer, Barbara Kastler und Katharina Lenner, für ihrer aller Eltern, Vorfahren und Nachkommen. 51 Der Sohn Gabriel war ebenfalls Untervogt zu Wikon (1596-1622) 52 und Amtssechser. Auch er stiftete in Reiden ein ewiges Jahrzeit (errichtet 4.4.1623) für sich, seine zwei Ehefrauen Magdalena Kaufmann und Barbel Schürmann, für seine Eltern Peter und Barbel Murin und für seine Kinder Magdalena, Elisabeth, Jakob, Anna, Katharina, Verena, für seine Vorfahren und Nachkommen. Der ehemalige Beamte, der offenbar eine fröhliche Runde zu schätzen wußte, bestimmte - ein Unikum in den Jahrzeitstiftungen - daß 3-1/2 Gulden der jährlichen Zinsertrrägnisse "an einen ehrlichen Trunkh gewärt werden". 53
1571 geht dieses Gut auf seinen Sohn Peter über.54
1567 verkauft Uoli Stirnimann zuo Reiden sein Gut dem Hans Fischer von Triengen. 55
1577 - verkauft Andres Stirnimann seine Mühle in Melsecken bei Reiden dem Heini Trocheler. 56
1578/79 - ist Peter Stirnimann als Wirt zum Leuen bezeugt. 57
1582 - ist Vester Stirnimann, Untervogt zu Reiden, Unterhändler und Schiedsrichter in einem Streit zwischen den Bewohnern von Melsecken und Brittnau. 58
Der bedeutendste Vertreter des Reidener Geschlechts im 18./19. Jahrhundert ist Anton Stirnimann (1771-1831), Gerichtsschreiber, Statthalter des Distrikts Altishofen 1801-1802, Mitglied der Tagsatzung 1802, Amtsrichter zu Willisau 1805-11, Großrat 1814-32, Schaffner der Johanniter-Kommende Reiden. 59
Knutwil
Stammvater des zahlreichen Knutwiler-Geschlechts 60 ist, wie oben unter Uffikon bemerkt, Gabriel, am 4. April 1608 in Uffikon getauft als Sohn des dortigen Untervogts Jakob Stirnimann und der Ottilia Gut. Gabriel (oo Barb. Kaufmann) erwarb 1657 in Knutwil unterhalb der Schmiede den später Gäbelihus (nach Gabriel) genannten Hof. Gabriel hatte vier Söhne: Hans, Jost, Jakob und Gabriel. Von den Nachkommen des letzten seien genannt:
Master father of the numerous Knutwiler
family 60 is, as above under Uffikon noticed, Gabriel, on 4 April
1608 in Uffikon baptized as a son of the there Untervogts Jakob
Stirnimann and the Ottilia property Gabriel (oo Barb. Buyer)
acquired 1657 in Knutwil underneath the schmiede the late
Gaebelihus (after Gabriel) farm mentioned Gabriel had four sons:
Hans, Jost, Jakob and give riel.
Joseph Anton (1804-83), Priester, Kaplan in Luzern 1830-39, Pfarrer in Romoos 1839-59, Chorherr in Beromünstr 1859, daselbst Kustos 1869.
Franz Xaver (1812-82), Lehrer, Gemeindeschreiber, Gemeindeammann, Gemeindepräsident, Fürsprech, Wirt zum Kreuz.
Bernhard (1816-63), Amtstierarzt.
Neuenkirch
Im Jahre 1600 kaufte Hans Stirnimann aus dem Willisaüer Amt von Georg und Ulrich Hiltbrand den 2 km südlich des Dorfes Neuenkirch gelegenen Hof Rüeggeringen für 3500 Gulden. 61 Der Käufer, dessen Nachkommen bis ins 19. Jahrhundert in Rüeggeringen seßhaft waren und sich weit verzweigten, kam mit Sicherheit von Eppenwil. 62
Aus Neuenkirch stammte der Industrielle Franz Stirnimann (1885 - 1961), der Begründer der weltbekannten Baumaschinenfabrik Franz Stirnimann AG in Olten. In der Erinnerung seiner Heimatgemeinde lebt er fort als ihr größter Gönner und Wohltäter.
Das Pfaffnauer Geschlecht steht in keinem direkten Zusammenhang mit demjenigen von Witelingen. Es erscheint in den Kirchenbüchern seit 1618. Aus Pfaffnau stammte der Luzerner Kinderarzt Dr.med. Fritz Stirnimann (1877-1947), der als medizinischer Schriftsteller hervortrat.
Das Geschlecht in Altbüron und Großdietwil, dessen Familien sich heute größtenteils auswärts befinden, dürfte seinen Ursprung in Eppenwil haben.
Die Stirnimann von Ettiswil und Gettnau kamen von Schötz und Buchs, sie verzweigten sich u. a. nach Menznau, Sempach, Luzern und Winterthur. Ein Ettiswiler war der Kunstmaler Friedrich Stirnimann (*1841 Ettiswil, + 1901 Luzern), den Kenner einen fruchtbaren und genialen Künstler nennen. 63 Zweimal, 1901 und 1945, veranstaltete das Luzerner Kunstmuseum eine Ausstellung seines vielseitigen Werkes, in dem das Porträt und das Genre vorherrschen. Der Maler bildete sich in Karlsruhe, München und Paris und war in geistesverwandter Freundschaft mit Arnold Böcklin und Hans Thoma verbunden. Das Werk des Meisters, der gelegentlich der luzernische Anker genannt wird, hat noch nicht die Würdigung gefunden, die es verdient. In Ruswil malte der Künstler das Mutter-Gottes-Bild in der Aesch-Kapelle.
Das Ruswiler Geschlecht
Die bei weitem zahlreichste, bis heute durch starke Bande der Freundschaft und Solidarität zusammengehaltene Sippe hat ihre Stammsitze seit dreieinhalb Jahrhunderten auf den Anhöhen von Ruswil. Über die Ursprünge des Ruswiler Geschlechts, das unter seinesgleichen am gründlichseen erforschte, gibt das zweite Jahrzeitbuch der Pfarrkirche St. Georg in Sursee Aufschluß. Das um 1610 herum gestiftete, unter dem 16. April eingetragene Jahrzeit hat folgenden Wortlaut:
Künigund Sinnerin uß der Root und Peter Stirnimann, ihr sohn, hand gestilt durch ihren seelen willen wie auch Adelheit Bircherin, siner frauwen, Hans, Peter, Hans Jacob, Maria, Barbara, siner kinderen, namlich 60 gulden haupt guot, also dafl die Family priester mit dem schuolmeister ihr jarzit söllen began am aben mit einer seebes per, am morgen mit einer gesungnen vigil, zwei h. ämpteren wie gwonlich. Darum gibt man iedem priester 12 schilling, dem scholae 6 schilling, sacristae 4 schilling, patrono 20 schilling, largae 1 18 ß.
In dieser Personengruppe treten uns - ein in unsern Gegenden eher seltener Fall - drei Generationen entgegen:
Die Stiftungsauflagen sind die bei feierlichen Jahrzeiten üblichen: die sechs Priester der Pfarrkirche sollen das Jahrzeit schon am Vorabend des 16. April mit der Seelvesper (Placebo Domino) beginnen und am Morgen die Laudes, das ist das Morgenlob des kirchlichen Stundengebetes, verrichten, denen sich zwei Amter, d.h. gesungene Messen anschließen, zuerst ein Totenamt (Requiem), dann die Messe (Salve sancta parens) zu Ehren der Mutter Gottes. Die Feier des Jahrzeits schloß meistens mit dem Besuch der Gräber.
Aus den Zinsen des Stiftungskapitals von 60 Gulden erhielten alle, die beim Jahrzeit mitzuwirken hatten, wie üblich ihren Anteil: jeder Priester 12, der Schulmeister, der die Orgel spielte oder die Sängerknaben dirigierte, 6, der Sigrist 4 Schilling. Den größten Beitrag erhielten, wie es allgemein die Regel war, der Kirchenpatron, d.h. das Gotteshaus, und die Spende, d.h. die Armen, nämlich 20 bzw. 18 Schilling. 2
Die Stifterfamilie war nach den Worten des Jahrzeits uß der Root. Es ist dies der 2 km südöstlich des Dorfes Buttisholz in einer fruchtbaren Talsenke des Ruswiler Berges gelegene Weiler Roth, der schon damals mehrere Höfe umfaßte. Der Ort hat seinen Namen vom Rothbach, der auf den Höhen des Ruswiler Berges, im untern Sällwald entspringt und den Weiler Roth in Richtung Großwangen durchfließt. Der Weiler Roth, heute in die Untere und Obere Roth geteilt, gehörte bis 1819 zur Pfarrei Sursee.
Woher stammten die Stifter des Jahrzeits? Den Weg weist uns der Familienname der Adelheid Bircher. Das Geschlecht der Bircher (heute Birrer), ist, ursprünglich von Roggliswil bei Pfaffnau stammend, seit dem beginnenden 15. Jahrhundert in Luthern seßhaft. In der Tat verzeichnet das Taufbuch der Pfarrkirche Luthern die folgenden drei Söhne des Ehepaares Peter Stirnimann oo Adelheid Bircher:
2. 4. 1590 Melchior
3. 6. 1605 Jakob
Das Taufbuch weist vorn 15. Oktober 1593 bis 1. Januar 1605 eine Lücke auf. Drei weitere Kinder desselben Ehepaares sind im Taufbuch der Pfarrkirche Willisau eingetragen:
12. 8. 1598 Johann Jakob
3. 11. 1600 Peter
Von den in beiden Taufbüchern erwähnten fünf Söhnen findet sich nur Hans Jakob mit Sicherheit im Surseer Jahrzeit. Die Geburt von Hans und Peter und der beiden Töchter, die im Jahrzeit angeführt sind, dürfte in die Jahre fallen, wo das Taufbuch in Luthern nicht geführt oder die Eintragungen vernachlässigt wurden.
Zusammen mit den bisherigen Unterlagen läßt sich nun an Hand des schon früher erwähnten, im Jahre 1583 erstellten Registers der Höfe und Landsässen der Name des Ehemannes der Kunigunde Sinner ermitteln. Das genannte Verzeichnis nennt für die Kilchhöri und das Viertel Luthern u. a. 3:
Es handelt sich hier ohne Zweifel um denselben Heini Stirnemann, der im Rodel der 1569 errichteten St. Elogius-Bruderschaft der Pfarrei Luthern - diesmal mit dem Namen Heinrich - unter den ersten Mitgliedern und Spendern erscheint. Eine spätere Hand hat vor seinem Namen, wie der meisten andern auch, ein Kreuz gesetzt, ein Hinweis auf seinen, wie wir annehmen dürfen, in Luthern erfolgten Tod. Dieser muß im Frühjahr 1592 erfolgt sun, wie aus einer gerichtlichen Klage zu entnehmen ist, in welcher ein Wilhelm Müller als Vogt d.h. Stellvertreter Heini Stirnemans frauwen auftritt.4
Mit größter Wahrscheinlichkeit war Heinrich Stirnimann von Witelingen bei Pfaffnau nach Luthern gekommen und ist als ein Sohn des Peter anzusprechen, der den genannten Hof i.J. 1534 gekauft hatte. 5 Die Stirnimann haben in Luthern kein Jahrzeit, sie sind auch nicht vertreten in der Bruderschaft Unserer lieben Frau, deren Mitgliederverzeichnis 1511 angelegt wurde. Dies erlaubt den Schluß, daß die Familie nur kurze Zeit in Luthern blieb. Nach 1607 verschwindet das Geschlecht aus den Kirchenbüchern.
Über die Gründe, die Peter Stirnimann bewogen, mit seiner Familie von Luthern oder Willisau nach Ruswil zu übersiedeln, sind wir im Ungewissen. Es ist sehr wohl möglich, daß diese Übersiedlung im Zusammenhang stand mit der Pest, die in den Jahren 1608-15 die Schweiz heimsuchte, Städte, Dörfer und weite Landstriche entvölkerte und ganze Familien und Geschlechter auslöschte. Große Höfe, deren Besitzer weggerafft wurden, konnten zu Schleuderpreisen erworben werden. Auch in Ruswil hielt der Schwarze Tod, besonders in den Jahren 1611-12, reiche Ernte. Vielleicht errichteten Peter Stirnimann und seine Mutter ihr Jahrzeit unter dem Eindruck dieses Massensterbens.
Das früheste Dokument außerhalb der Kirchenbücher, das von der in der Roth niedergelassenen Familie Kunde gibt, ist ein Schuldbrief vom 5. Februar 1613. Diesem zufolge errichteten Peter Stirnimann und Hans, sin San, im amt Rußwyl, Surseer kuch gang, dem Jakob Steiner im Emmer Kilchgang, Amt Rothenburg, für eine Schuld von 250 Gulden eine Gült für die Dauer von sieben Jahren. 6 Als Unterpfand diente ihr Gut Grissenegg, das Vater und Sohn von Jakob Steiner für 950 Gulden, vermutlich am 1. September 1612, gekauft hatten, weshalb wohl der Schuldbrief mit Wirkung ab diesem Termin errichtet wurde. Vermutlich war die Ausfertigung des Schuldbriefes anläßlich des Kaufes wegen der Pest nicht möglich. Das Gut Grissenegg, dessen Umfang der Kaufbrief mit 20 Jucharten offenem Land und 2 Jucharten Wald angibt, grenzt östlich an die Roth. Welches Gut Peter Stirnimann zuerst erwarb, die Roth oder die Grisseneggg, ist nicht geklärt. Sicher haben wir den Wohnsitz des Stammvaters des Ruswiler Geschlechts an der Stelle zu suchen, wo heute das Wohnhaus der Familie Muff-Sidier in der Untern Roth steht. Im nördlichen Flügel des mächtigen Doppelhauses, das Leonz Stirnimann 1705 errichtete, ist ein uraltes, auf Fels gebautes Blockhaus sichtbar. Dieses Blockhaus, das in den Neubau von 1705 einbezogen wurde, war sozusagen sicher das Wohnhaus der ersten drei Generationen.
Nach dem Ehebuch der Pfarrei Sursee heirateten die drei Söhne des Peter Stirnimann in der gleichen Reihenfolge, wie sie im Jahrzeitbuch angeführt sind:
18. 2.1624 Peter Stirnimann oo Maria Süeß
18. 8.1630 Hans Jakob Stirnimann oo Barbara Bucher
Von Hans Stirnimann-Bächler meldet das Taufbuch Sursee in den Jahren 1614-22 vier Kinder. Die Familie ist bk 1630 in der Roth nachweisbar, nachher verliert sich ihre Spur. Sie zog vermutlich fort von Ruswil.
Peter Stirnimann-Süeß, dessen Ehe kinderlos blieb, zeichnete sich aus durch seine außergewöhnliche soziale Gesinnung und Wohltätigkeit. Er schenkte der Spend, der die Armenfürsorge in der Pfarrei oblag, 1000 Gulden. 7 Er war - ein überzeugendes Beispiel geistiger Vaterschaft - allein oder zusammen nut seiner Frau, gegen hundert Kindern Taufpate. Außer den Täuflingen seiner Verwandten handelte es sich größtenteils um Kinder heimatloser Eltern oder aus unehelichen Verbindungen. Man muß dies alles auf dem Hintergrund einer verarmten, von schweren politischen und konfessionellen Spannungen und Wirren erschütterten Zeit sehen. In Deutschland tobte der Dreißigjährige Krieg (1618-48), der sich, vor allem wirtschaftlich, auch auf die Schweiz auswirkte. Auch die Kirchenbücher der luzernischen Landschaft verzeichnen in diesen Jahren eine Menge Bettler und fahrendes Volk. Dazu kam, ebenfalls vom Dreißigjährigen Krieg geweckt und durch verständnislose Vertreter des aristokratischen Stadt-Regiments verschärft, die Gärung und Unzufriedenheit unter dem Landvolk, die sich 1653 im Bauernkrieg entluden.
Weitere 1000 Gulden gab Peter Stirnimann als Stiftungskapital an ein ewiges Jahrzeit, das er im Jahre 1653 für sich, seine Ehefrau Maria Süeß, seine Eltern und alle, die im Geschlecht sind, errichtete. 8 Das Jahrzeit sollte von vier Priestern begangen werden. Die Erträgnisse dieser kirchlichen Stiftung, die der Hof Goldschrüti zu entrichten hatte, kamen ebenfalls zur Hauptsache der Allgemeinheit zugut, vor allem der Pfarrei und den Bedürftigen. Vom jährlichen Zins? der 50 Gulden betrug, waren 20 Gulden für das Gotteshaus bestimmt, 30 Gulden mußten für die Feier von drei verschiedenen Jahrzeiten verwendet werden. Alle Mitwirkenden wurden großzügig entschädigt, aber die Armen erhielten bei jedem Jahrzeit mit 3 Gulden den größten Anteil. Das Jahrzeit des Peter Stirnimann, die hochherzigste Stiftung, die jemals in Ruswil errichtet wurde, blieb durch viele Generationen das eigentliche Jahrzeit der Familie, bis diese sich im 19. Jahrhundert dessen Zusammenlegung mit andern Jahrzeiten gefallen ließ, deren Stiftungskapitalien entwertet waren. Peter Stirnimann war Vorsitzender des Twing- oder Dorfgerichts. Er wohnte in Etzenerlen, wo er seit 1640 nachweisbar ist. 9 Etzenerlen (früher Herzenerlen) heißt das auf der nördlichen Abdachung des Ruswiler Berges in einer Länge von rund 2 km zwischen dem Hof Sahl und dem Hintern Lochhof sich erstreckende Gelände; auf der Anhöhe gegen Süden stoßen die Höfe von Etzenerlen an die Buchmatt, den Hof Wießtannen und an die Kropfmatt, talwärts, gegen Norden grenzt Etzenerlen an die Obere Roth, die Grissenegg und an den Hof Ehschwand. Peter Stirnimann kam wahrscheinlich durch Einheirat nach Etzenerlen. Nach seinem Tod (8. Januar 1668) ging der Hof an seinen Bruder Hans Jakob in der Roth als einzigen Erben über.
Der Hof Etzenerlen war seit alters ein Erblehen des Chorherrenstiftes Beromünster. Seine Eigentümer hatten dem Stift die Bodenzinsen, bei einem Besitzerwechsel den Ehrschatz zu entrichten. Das Stift forderte auch von Hans Jakob Stirnimann bei Antritt seines Erbes die Abgabe. Doch dieser verweigerte sie mit der Begründung, es sei bei Todes- bzw. Erbschaftsfällen bei ihnen nie ein Ehrschatz verlangt worden, die Forderung des Stiftes sei für das gesamte Amt Ruswil eine Neuerung und berühre daher nicht nur ihn, sondern auch andere Amtsgenossen. Der Rechtsstreit, in welchem der Amtsweibel und der Kirchmeier von Ruswil als Vertreter des Amtes Ruswil den Etzenerler Bauer vor Gericht unterstützten, wurde vom Schultheiß und Rat der Stadt Luzern am 17. April 1670 durch ein salomonisches Urteil entschieden: der Ehrschatz sei grundsätzlich auch bei Todes- oder Erbschaftsfällen zu leisten, jedoch in reduziertem Umfang. 10 Nach dem Zeugnis der Urbare des Stiftes versahen die Nachkommen des Hans Jakob, die den Hof Etzenerlen mehrmals teilten, bis zur Ablösung der Bodenzinse im 19. Jahrhundert das Amt des Tragers. 11 In den Ehrschatzverzeichnissen des Stiftes wurden die sich ablösenden Eigentümer der einzelnen Höfe sorgfältig nachgetragen.
Im Jahre 1668 erwarb Hans Jakob, wahrscheinlich als Auskauf für seine Tochter Elisabeth (oo Walter Meyer, Huprächtigen), für 6500 Gulden auch den Hof Huprächtigen in der heutigen Gemeinde Nottwil.
Hans Jakob Stirnimann-Bucher starb am 1. Mai 1670 in der Roth. Auf sein ausdrückliches Verlangen wurde er nicht in Sursee, wohin er kirchgenossig war, bestattet, sondern in Ruswil. Dies führte zu einem heftigen Streit zwischen dem damaligen Pfarrer und Dekan Johann Fridolin Lindacher von Ruswil und den Vier Herren, die der Pfarrei Sursee vorstanden. Das Sterbebuch Ruswil überliefert in lateinischer Sprache einen ausführlichen, empörten Bericht über das Vorgefallene. 12 Der Verstorbene wird darin ein frommer, mildtätiger und hochgeachteter Mann genannt, der an einem geheimen Ort, jedoch mit Wissen seiner Erben, ein ziemlich großes Erbe und einen Schatz hinterlassen habe. 13 Es wird die Bestimmung des kirchlichen Rechts angerufen, die jedem Gläubigen die freie Wahl des Begräbnisses gestatte usw.
Hans Jakob Stirnimann hinterließ, nebst drei Töchtern, drei Söhne: Sebastian, Hans und Peter. Die ersten zwei teilten sich in den vom Vater ererbten Besitz. Sebastian übernahm den Hof Etzenerlen, Hans blieb in der Roth. Mit den zwei Brüdern teilte sich das Geschlecht in zwei Stämme von Etzenerlen und Roth. Der dritte Sohn, Peter, wurde unter dem Namen Jost Mönch des Klosters Muri.
1. Sebastin (* c. 1635, t 1679, oo 1.1655 Maria Helfenstein, von Neuenkirch, oo 11.1673 Rosina Wüest, von Ruswil) erscheint in Gültbriefen und Kaufverträgen des Amtes Ruswil als Geschworener und des Gerichts, seit 1673 bis zu seinem Tod wird er Richter genannt. Die Geschworenen, auch Fürsprecher genannt, waren die Urteilsfinder, die mit dem Landvogt oder dessen Stellvertreter, dem Amtsweibel, über Sachen, die 99 Gulden nicht überstiegen, letztinstanzlich richteten. Sie waren ferner die amtlichen Schätzer der Grundstücke, sie hafteten für die Richtigkeit der Schatzung mit ihrem Vermögen. Die Geschworenen wurden von der Amtsgemeinde an den alle zwei Jahre sattfindenden Schwörtagen gewählt. 14 Der Richter war der Vorsitzende des Twing- oder Dorfgerichts. Am 10. oder 11. März 1675 unternahm Sebastian eine Pilgerfahrt nach Rom, wie sein Bruder P.Jost in seinem Tagebuch berichtet. Sebastian mehrte semen Grundbesitz in Etzenerlen durch mehrere Käufe angrenzender Grundstücke. Bei seinem Tod zählte der Hof Etzenerlen 231,5 Jucharten Land und 24 Jucharten Wald. Sebastian hinterließ zwei Söhne: Peter und Walter, von denen noch die Rede sein wird.
2. Hans (*c. 1638, t 1675, oo 1661 Elisabeth Zimmermann, von Schenkon) übernahm den Hof in der Roth. Dieser umfaßte damals im ganzen 238 Jucharten Land und 19 Jucharten Wald. Der Hof war wie zahlreiche Höfe in der Gegend ein Lehengut des Klosters Muri. Nach dem frühen Tod ihres Vaters teilten die zwei Söhne Leonz und Peter den Hof:
Leonz (* 1.11.1671, t 7.11.1715, 1691 Elisabeth Bühlmann) übernahm die Untere Roth. Der Name Leonz erklärt sich durch die Beziehungen mit dem Kloster Muri, wo die Verehrung des Martyrers Leontins Mitte des 17. Jahrh. aufkam und weite Verbreitung fand. Leonz erbaute 1705 das oben erwähnte, etwa dreissig Räume umfassende Luzerner Bauernhaus, in welches das ursprüngliche, vielleicht um 1600 herum, wenn nicht früher entstandene Blockhaus einbezogen wurde.15 Im Jahre 1821 verließen die Nachkommen des Erbauers die Untere Roth. Das stattliche Gebäude, mit seinem reichen geschnitzten Zierat, seinen bemalten Türen und Giebeln einst ein Meisterwerk luzernischen Handwerks und bäuerlicher Kultur, ist heute noch ein Schatten seines frühern Zustandes. 16
Peter (* nach 1667, + ?, oo 1688 Anna Maria Steiner) ließ sich in der Obern Roth, der obere Hof genannt, nieder. Wie mehrere Angehörige der Familie war Peter Steuerleger des Amtes Ruswil. Der Steuerleger, auch Steuergeschworener genannt, war zuständig für die Veranlagung der obrigkeitlichen Steuern und gemeinen Amtsbedürfnisse 17 Peter erbaute das heutige Haus in der Obern Roth, das große Ähnlichkeit aufweist mit jenem in der Untern Roth, jedoch bedeutend kleiner ist. Um die Mitte des 19. Jahrh. wurde auch dieser Hof von den Nachkommen aufgegeben.
3. Peter (*25.2.1654, + 28.12.1706), der dritte Sohn Hans Jakobs, legte 1673 im Benediktinerkloster Muri im Freiamt unter dem Namen Jost (Jodocus) seine Profeß als Mönch ab, wurde am 4. Juni 1678 in Luzern vom päpstlichen Nuntius zum Priester geweiht und feierte am 29. Juni darauf in Muri seine Primiz. P. Jost versah im Kloster das Amt des Kornmeisters (Granarius), der - es war das Zeitalter der Naturalwirtschaft - die Zehnten und Abgaben der Lehenhöfe entgegennahm und die Aufsicht über die Kornmagazine hatte. P. Jost hinterließ - für die damalige Zeit eine Seltenheit -unter dem Titel Annale breve ein in gefälligem Latein verfaßtes Tagebuch; nur kleinere Teile sind deutsch geschrieben. 18 Das Tagebuch gilt als eine der Hauptquellen für die Baugeschichte der heutigen, 1695-98 errichteten Klosterkirche, es enthält eine Menge zeit- und kulturgeschichtlich interessanter Begebenheiten und Beobachtungen.
Nicht zuletzt ist das Tagebuch für die Geschichte der Familie, mit der der Ordensmann eng verbunden blieb, von großem Wert. 11
Kehren wir zurück zu den zwei Söhnen des Sebastian Stirnimann: Peter und Walter. Sie teilten 1684 den Hof Etzenerlen. Peter (*8.2. 1660, + 9.1.1709, oo 1682 Anna Brunner, von Rothenburg) übernahm den obern Teil, ungefähr das heutige Hinter-Etzenerlen (115 Juch. Land und 9,5 Juch. Wald). Peter bekleidete zahlreiche Amter. Er war u. a.:
Geschworener und des Gerichts
1694-96 Kirchmeier
1696-98 Pfleger der Kapelle Unserer lieben Frau
seit 1696 Amtsweibel (wahrscheinlich bis zu seinem Tod).
Der Amtsweihel, auch Untervogt genannt, war der ständige Vertreter des Landvogts in Verwaltung und Rechtsprechung. Mit Ausnahme des Landvogts von Willisau, des Schloßvogts von Wikon und des Seevogts von Sempach wohnten alle Landvögte - bis 1798 Angehörige des städtischen Patriziats - in Luzern, sie erschienen nur an den Schwör- und Gerichtstagen in ihren Amtern. Der Amtsweibel besorgte die kleineren laufenden Geschäfte und vertrat den Landvogt in den ordentlichen Gerichtssitzungen. In der Verwaltung stand ihm der Amtsschreiber zur Seite. Amtliche Schreiben versah der Weibel mit seinem persönlichen Siegel. Obwohl der Weibel von seinem Amt außerordentlich in Anspruch genommen und ihm eine große Verantwortung auferlegt war, bezog er nur eine bescheidene Entschädigung. Der Amtsweibel wurde vom Landvogt auf zwei Jahre ernannt, entweder auf Vorschlag des abtretenden Amtsweibels oder der stimmberechtigten Männer des Amtes. Unter dem absolutistischen und ausschließlichen Regiment, mit dem die 28 Familien des luzernischen Patriziats den Kanton Luzern regierten, war das Amt
des Weibeis das höchste und begehrteste, zu dem Angehörige der ländlichen Geschlechter aufsteigen konnten. 50
Von den dreizehn Kindern des Amtsweibels Peter Stirnimann fiel der Sohn Peter im Alter von 21 Jahren in der Schlacht von Villmergen (1712). Sein ältester Sohn Hans Jakob wurde 1736 und 1747 ebenfalls zum Amtsweibel gewählt. Dieser und seine beiden Brüder Johann Sebastian und Johann Augustin teilten im Jahre 1725 den väterlichen Hof abermals: die ersten zwei erhielten den Hof zu Etzenerlen, Johann Augustin übernahm den Hof Neu-Sahl, den der Vater im Jahre 1700 für 5900 Gulden erworben hatte.
Walter (*16.6.1676, + 13.3.1735, oo 1.1696 Magdalena Marbacher, von Krumbach, oo 11.1732 Elisabeth Erni), der bedeutend jüngere Stiefbruder Peters, übernahm den untern Teil des väterlichen Hofes, das Gebiet des heutigen Vorder-Etzenerlen. Walter war Geschworener und des Gerichts, ferner Amtsvater, dem das Vormundschaftswesen anvertraut war. Auch sein Hof wurde 1738 von seinen beiden Söhnen Adam und Joseph erneut geteilt. Von letzterem stammen die Stirnimann von Ohmstal und Sch.ipfheim ab.
Von der Familie im Sahl verdient Erwähnung Sebastian (* 22.10. 1796); er war Richter und Amtsvater und gehörte der i. J. 1781 von der Kirchgemeinde bestellten Vierer-Kommission an, die den Bau der heutigen Pfarrkirche vorbereitete und die beiden Baumeister Jakob Purtschert von Pfaffnau und Jakob Singer aus dem Tirol berief.
Bis heute bewirtschaften in Etzenerlen drei Familien den von den Vätern durch drei Jahrhunderte vererbten eigenen Grund und Boden. Auch der Sahl-Hof blieb, nach kurzer Unterbrechung, bis heute im Eigentum der Familie.
Folgende Höfe in der Gemeinde Ruswil waren außer den bisher erwähnten über kürzere oder längere Zeit oder sind bis heute im Eigentum der Familie: Bleischür, Buchmatt, Deckenhonig, Geißbach, Kastlergut, Ober-Merzenherg, Musegg, Nellenhüsli., Ober-Eichig, Obere Schwärzi, Paradiesli, Sonnenrain, Strick, Than, Hinterer Lochhof, Vorderer Lochhof, Windbühl.
Von Ruswil verbreitete sich das Geschlecht in zahlreiche Gemeinden des Kantons Luzern und auswärts. Heute finden sich Angehörige des Ruswiler Geschlechts in allen größern Städten der Schweiz, in Deutschland, Frankreich und in Ubersee.
Als Priester und Ordensmänner sind, außer dem oben erwähnten P. Jost, die folgenden bekannt:
P. Fortunat (Leonz) 5.11.1733 in der Unteren Roth, Mönch des Franziskanerklosters Werthenstein; wirkte. 18 Jahre als Prediger in den dem Kloster zugeteilten Pfarreien und ebenso lang als Spiritual in Bremgarten und Muotathal, + Werthenstein 12. 8. 1808. 21
Aus einer Familie, die von Ruswil über Mittelarig nach Neuenkirch übersiedelte, stammen die drei Brüder:
P. Sigismund (Anton), 18. 8. 1844, Kapuziner, Profeß 1867, Priesterweihe 1870, Prediger und Beichtvater, + Arth 18.1.1904.
P. Leodegar (Pius), * 4. 12. 1855, Mönch des Benediktinerklosters Einsiedeln, Profeß 1876, Priesterweihe 1882, Lehrer am Gymnasium, Kurat in Groß 1888, Pfarrer in Feusisberg 1896, + daselbst 7.4.1904.
Aus Etzenerlen stammte Eduard, * 10.6.1865, Weltpriester, Priesterweihe 1893, Vikar in Pfaffnau 1893-95, in Malters 1895-96, Kaplan in Buttisholz 1896-1917, Cborherr in Beromünster 1917, Mitglied der Stiftsverwaltung seit 1933, + Beromünster 9.12.1937.
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Das 19. und 20. Jahrhundert mit ihren tiefgreifenden Veränderungen, das Aufkommen der Industrie, die Entwicklung in Technik und Wirtschaft erschlossen auch dem Ruswiler Geschlecht neue Aufgaben und Möglichkeiten. Auch die Aufteilung der Höfe erreichte schließlich ihre Grenzen. Zahlreiche junge Menschen verließen die väterliche Scholle oder die engere Heimat und wandten sich andern Berufen zu. Heute sind Angehörige der Familie in den meisten Berufen tätig, die den modernen Arbeitsprozeß, seine Wirtschaft und Technik tragen.
Eine soziologische Untersuchung des Ruswiler Geschlechts würde drei vorherrschende Berufe nachweisen: Bauern, Beamte und Sozialberufe. Bis heute ist eine beachtliche Zahl der Familien dem Bauernstand treu geblieben. Zu allen Zeiten stellte das Geschlecht auffallend viele Beamte. Angehörige der Familie bekleideten seit dem 17. Jahrhundert bis heute die meisten Amter, die Gemeinde, Pfarrei, Kirchgemeinde und Amt Ruswil zu vergeben hatten. Als stellvertretend für die zahlreichen Beamten, die heute im Dienste der Allgemeinheit stehen, seien drei Männer genannt, die sich in den letzten Jahrzehnten in Ruswil des ungeteilten Vertrauens und der Achtung ihrer Mitbürger erfreuten:
Johann Stirnimann-Meier (1868-1930), Großrat, Gemeindepräsident und Armenpfleger, Geschäftsführer;
dessen Bruder: Jost Stirnimann-Hodel (1875-1947), durch 40 Jahre hochverdienter Lehrer der Knaben-Sekundar-Schule;
der Sohn des ersten: Hans Stirnimann-Grüter (1905-1968), Gemeindeammann, Großrat während einer Legislaturperiode, Geschäftsführer, Präsident und Vorstandsmitglied zahlreicher landwirtschaftlicher Verbände.
Unverkennbar ist schließlich der Zug zu den Sozialberufen. Mehrere Angehörige der Familie nahmen sich im 18. und 19. Jahrhundert als Amtsvater, welches Amt dem heutigen Armenpfleger entspricht, der Waisen und vom Leben Benachteiligten an. Ihnen schließen sich die zahlreichen Ordensfrauen, die Krankenschwestern, Pfleger und Pflegerinnen, Arztgehilfinnen, Fürsorgerinnen und Kindergärtnerinnen an, die sich selbstlos in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen. Und nicht vergessen seien die zahlreichen Lehrer und Lehrerinnen, die sich der Erziehung und Bildung unserer Jugend widmen.
Am 6. September 1970 fand in Ruswil eine sorgfältig vorbereitete Tagung der Familien Stirnimann statt, 22 zu der nebst den Angehörigen des Ruswiler Geschlechts alle Namensträger des Kantons Luzern eingeladen waren. Gegen 250 Personen aus der ganzen deutschsprachigen Schweiz fanden sich in Ruswil ein. Die Tagung begann mit einem Gottesdienst in der Pfarrkirche. Darauf versammelten sich die Teilnehmer im Landgasthof Eintracht in Rüediswil, dessen geräumigen Saal drei Maler der Familie (Marie Stirnimann, Luzern; Alois Stirnimann, Dättlikon-Zürich; Werner Stirnimann, Männedorf) mit ihren Gemälden (darunter Darstellungen der Stammsitze und Bauernhäuser des Geschlechts) geschmückt hatten. In einer Vitrine waren Urkunden, Aufzeichnungen und Bilder - Originale und Photokopien - zur Geschichte der Familie ausgestellt. Ein künstlerisch gestalteter Stammbaum fand allgemeine Beachtung. Gemeindepräsident Adolf Bühler richtete ein Grußwort an die Versammlung. Der Schreibende hielt einen Vortrag über "Das Geschlecht der Stirnimann im Kanton Luzern". Der angesehene Namensforscher und Genealoge Dr. Alfred Helfenstein, Luzern, gab eine Herkunftsdeutung des Familiennamens.